Liest man die Fülle der Anregungen zum Thema Achtsamkeit/Achtsamkeit im Alltag stoßen wir häufig auf den Begriff „Meditatives Gehen“. Offen gesagt stehe ich diesem Begriff kritisch gegenüber. Die Grundidee, auf die ich gleich näher eingehen werden, unterstreiche ich voll und ganz. Doch stellen Sie sich vor, Sie sind z.B. AbteilungsleiterIn in einer großen Versicherung und Sie starten Achtsamkeit im Alltag mit „meditativem Gehen“ während Sie von einer Besprechung zu nächsten sind. Die Formulierung „meditatives Gehen“ möchte ich eher im Setting eines Waldspaziergangs einordnen.
Wie gesagt, ich trage die Kernidee dieses Ansatzes voll und ganz mit. Gerne würde ich diesem Ansatz eher den Namen des „bewussten Gehens“ geben. Was ist damit gemeint?
Bewusstes Gehen ist eine einfache und wirksame Übung. Der Name der Übung verrät es: Während wir uns bewegen bzw. gehen lenken wir bewusst die Aufmerksamkeit auf das was wir gerade tun. Wir gehen. Das kann tatsächlich von einer Besprechung zur nächsten sein. Und in diesen wenigen Minuten versuchen wir die Gedanken an das letzte Meeting zur Seite zu stellen und uns auf das Gegenwärtige zu fokussieren, nämlich das Gehen. Den Boden unter unseren Füßen. Wie sich der Boden anfühlt, (…). Ich gebe zu, so einfach ist die Übung am Anfang möglicherweise nicht umzusetzen. Wie leicht bleiben wir mit unseren Gedanken bei dem, was wir vielleicht gerade gehört und gesehen haben. Ja, es bedarf eines starken Willen und einer bewussten inneren Entscheidung zu sich selbst zu sagen „Ja, irgendwie bleiben im Moment meine Gedanken an dem letzten Treffen hängen. Ja, ich verspüre den Impuls in mir, mich ggf. aufzuregen. Doch im Moment und für die nächsten 2 Minuten möchte ich mich auf mein Gehen konzentrieren. Und dabei stelle ich die anderen Gedanken zur Seite. Ich merke, wie ich atme und spüre meinen Körper. Ich guck gerade mal auf mich, ohne mich zu beeinflussen. Ich lausche einfach mal kurz auf das, was in mir gerade passiert, während ich gehe.“
Das könnte eine Formulierung sein. Zumindest teile ich gerade meine eigen Gedanken, die ich bei dieser Übung habe. Hilfreich ist, langsam zu gehen. Erfahrungsgemäß ist bereits die bewusste Entscheidung, nicht über die Flure zu hetzen oder zu rennen, sondern bewusst langsam zu gehen, ein erster Step in die richtige Richtung.
Probieren Sie diese Übung auch auf dem Weg zur Arbeit zu integrieren, wenn z.B. die Rolltreppe oder Treppe am Bahnhof nutzen. Wie gerne würde man aufs Handy gucken und sich gedanklich auf das erste Meeting einstimmen oder die ersten Mails beantworten. Ich glaube, Sie kennen die „dienlichere Herangehensweise“.
Vielleicht werden Sie nach einigen Experimenten mit dieser Übung feststellen, dass in Ihrem Körper etwas Ruhe einkehren wird. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Ausprobieren. Gehen Sie behutsam mit sich um.
Kommentar schreiben
Nina (Sonntag, 26 September 2021 17:51)
Danke für die Anregung!
Sie klingt einfach und umsetzbar!
Liebe Grüße
Martin D. (Donnerstag, 14 Oktober 2021 20:23)
Als ich das erste Mal davon gehört habe, war ich zunächst sehr neugierig. Ich habe bereits unterschiedliche Meditationstechniken ausprobiert, habe viel geatmet, mich im Schneidersitz auf die innere Mitte konzentiert, nachgespürt, entspannende Musik gehört, sogar mit dem Chanten habe ich einige - wenig rühmliche - Erfahrungen. Die Idee, die meditativen Elemente mit einer Bewegung zu kombinieren, hat mich sofort fasziniert. Meine erste Erwartung war, dass mir gerade diese besondere Dynamik entgegenkommt und es mir sogar leichter fällt. Der erste Praxistest war allerdings schwieriger als gedacht. Die bewusste Entschleunigung auf einem Waldspaziergang ist eine Sache, nicht von einem Termin zum nächsten zu hetzen und sich bewusst auf den eigenen Gang zu fokussieren eine andere. Ich habe sogar besorgte Blicke geerntet, als ich mich Kollegen mit bedächtigen Schritten vorbeischleichen sahen. Dies aufzuklären, hätte nur für noch mehr Unruhe gesorgt. So war es für mich hilfreich, mir Situationen zu suchen, in denen ich mich "unbeobachtet" fühle, ohne die Umwelt vollständig ausklammern zu müssen, und meine Gedanken auf die Bewegung selbst zu richten. So entsteht, relativ einfach, eine Zäsur, die sich gut in den Tagesablauf integrieren lässt. Aber ohne Disziplin und Übung geht es natürlich auch nicht. Der Impuls, noch mal schnell die Mails auf dem Handy zu checken, ist groß. Und es ist zu verlockend, sich in dem Ärger über einen Kollegen aus dem vorherigen Meeting zu suhlen. Beides ist unnötig und verzichtbar. Und es tut gut zu wissen, dass man tagsüber einfach mal ganz kurz den Schalter umlegen kann.